Chronik eines verkündeten Todes
Mitte Mai fegte die Nachricht wie ein Wirbelsturm durch die Kletterszene: Der Schweizer Spitzenkletterer Elie Chevieux soll in Kabul gesteinigt worden sein. Nach drei Tagen stellte sich die Nachricht als Verwechslung heraus, der 31-jährige Schweizer ist noch am Leben. Zurück bleibt einmal mehr die Erkenntnis, dass der Krieg im Mittleren Osten ganz plötzlich sehr nah sein kann. Und, dass die moderne Medienwelt tatsächlich in der Lage ist, Leben und Tod wirksam zu konstruieren – eine Chronik:
Sonntag, 9. Mai, www.spiegel.de:
»Zwei Ausländer sind in Kabul grausam getötet worden: Die Männer wurden gesteinigt. Einer der Getöteten ist Schweizer Staatsbürger.«
Dienstag, 11. Mai, www.baz.ch:
»Der Pass, der am vergangenen Sonntag bei einem in Kabul getöteten Ausländer gefunden worden ist, gehört dem ehemaligen Schweizer Weltklasse-Kletterer Elie Chevieux. Die Genfer Polizei bestätigte entsprechende Berichte in Westschweizer Zeitungen.«
Dienstag, 11. Mai, www.swissinfo.org:
»Der Vater von Elie Chevieux bestätigte, dass die Schweizer Polizei um ein Foto seines Sohnes gebeten habe.«
Dienstag, 11. Mai, Eintrag im Forum bei www.8a.nu, einer wichtigen Website der Kletterszene:
»Ich habe sehr, sehr schlechte Nachrichten aus der Schweiz: Elie Chevieux wurde vor einigen Tagen in Afghanistan ermordet.«
Donnerstag, 13. Mai, Basler Zeitung (online):
»Entgegen ersten Vermutungen handelt es sich bei dem zweiten Toten um einen Norweger und nicht um einen weiteren Schweizer.«
Freitag 14. Mai, www.lematin.ch:
»Nach einem Fax der Schweizer Botschaft in Islamabad (Pakistan) kam Elie am 8. Mai in die Botschaft und beantragte ein Visum für den Iran. Die Körper der zwei gesteinigten Männer wurden einige Stunden später oder am 9. Mai in einem Park in Kabul gefunden.«
Freitag, 14. Mai, www.climbing.de:
»Hoffnungsschimmer – Elie Chevieux wurde möglicherweise verwechselt.«
Freitag, 14. Mai, www.8a.nu, Eintrag im Forum:
»Ich habe wundervolle Neuigkeiten. Elie Chevieux lebt. Er hat gerade seine Mutter angerufen.«